Vom Wundern und Staunen

Es wird so viel geredet. So viel. Aber das kommt uns, glaube ich, nur so vor. Der Mensch hat die Sprache entwickelt, um zu reden. Um sich auszutauschen und um von Wundern zu erzählen.

 

Tiere müssen immer wieder von vorne anfangen und was nicht genetisch veranlagt ist, muss abgeschaut werden. Daher können sie in der geringen Zeitspanne, in der sie leben, nicht wirklich weit kommen.

Menschen können Wissen weitergeben und daher vom Erfahrungsschatz der Ahnen massiv profitieren.

Wir verwechseln aber gerade Bildung mit Wissen. Nicht die Menge an Wissen, die ein Mensch hat, macht ihn gebildet. Sondern die Art, wie er sich 

 

erstens Wissen aneignet

und zweitens damit umgeht.

 

Wir werden heutzutage erschlagen mit Wissen. Neue Erkenntnisse, Informationen und Nachrichten. Und da muss eine neue Dimension her. Eine neue Art, damit umzugehen.

 

Man sieht das gut auf Facebook: meine Generation ist gerade überfordert. Wir sind die, die es noch mitbekommen haben, wie die Computer angefangen haben, wie es nur drei Programme gab und die Tagesschau das Maß aller Dinge war. Meinung wurde gemacht von dpa und Reuters. Man musste für Recherche noch in Bibliotheken und das Internet war zunächst die Heimat von Bekloppten Informatikern.

Wir sind aber auch die, die technikaffin geworden sind. Wir sind langsam reingewachsen und haben jeden Sprung mitgemacht. Wir sind erst nicht und dann doch auf Facebook und anderen sozialen Medien gelandet und sehen mit Besorgnis, wie damit umgegangen wird. Wir bekommen Angst.

 

Weil: wir können uns nicht mehr darauf verlassen, dass das, was wir lesen, stimmt. Wir haben nicht mehr die begrenzte Auswahl, die es uns leicht macht, zu entscheiden, wem wir glauben wollen. Jeder Hinz und Kunz darf jetzt was sagen, und es kann endlos verbreitet werden. Nicht mehr nur Strauß oder Schmidt, Kohl oder Möllemann.

Nee, die Geissens, die Madonnas, die Kardashians ... alte Idole werden auch gestürzt, weil jedes kleinste Stück Dreck hervorgekramt wird, um eine Clickbaitnachricht zu machen. Und dann sterben Leute und dann doch nicht, weil es Falschmeldungen waren.

David Bowie ist tot. Oder ist er es nicht? Oder doch? Schlimm. Noch schlimmer war alles, was rund um die Flüchtlinge und Köln die Tage abging.

 

Was mich ärgert ist eigentlich, dass dann immer gleich der Untergang des Abendlandes ausgerufen wird und alles schlimm und ich bin mal weg von Facebook ist ja furchtbar und alle sind doof und ... 

Ich glaube, die nächste Generation wird es da einfacher haben. Die leben mit diesem ewigen Chatter. Die werden sich anders bilden, und das ist auch gut so.

Aber was ich mir wirklich wünschte, wäre, dass sie das auch schon in der Schule könnten: sich anders bilden. Sich selbst bilden, mithilfe von Lehrern. Weil es nicht mehr möglich ist, alles zu wissen, und schon gar nicht nötig ist. Vieles Wissen, was die da eingetrichtert bekommen, ist eher hinderlich. Was sie aber nicht gut gelehrt bekommen, ist wie man lernt. Und wie man das Wissen wirklich nutzt, vernetzt und etwas weiterdenkt. Schon überhaupt nicht, wie man kritisch denkt. Naja, sicher gibt es Ausnahmen, aber ... seufz.

 

Warum heißt die Überschrift eigentlich: vom Wundern und Staunen?

Ich habe darüber nachgedacht, welche meine tollsten ersten Male waren, und habe festgestellt, dass es oft Dinge waren, die mich überrascht haben. Und Überraschungen definieren sich dadurch, dass man vorher nichts oder wenig weiß. Also ist es wirklich mein Kritikpunkt an dieser Informationsflut: sie entzaubert oft. Manchen gelingt es dennoch, Wunder zu schaffen und diese so auch unters Volk zu bringen. Und da ist der Tod Bowies wieder: er wusste wohl, dass er stirbt. Macht aber ne Platte und alle freuen sich. Kein Ton vom Sterben vorher. Kein: kauft mein Ding, weil ich bin todkrank. Da geht ein Großer groß. Wunderbar, zauberhaft, tragisch und verwunschen. Ganz der Koboldkönig. Ich verneige mich und gehe jetzt wieder Wunder schaffen.