Respekt

In den 80ern gabs mal so eine Sache, so eine Psycho-Sache: Thomas Harris schrieb Die Familienkonferenz. Sein Geschreibsel bezog sich auf eine neue Art der Psychoanalyse, die Transaktionsanalyse. Die Grundlagen dazu hat Eric Berne geschrieben. Wer sich ein wenig mit Psychoanalyse auskennt (und ein solides Halbwissen hat da ja jeder), der findet Parallelen.

Bei Berne gibt es aber nicht nur Es, Ich und Über-Ich, sondern einige andere spannende Dinge (bitte dort nachzulesen).

Das Spannendste an sich ist (für mich), dass es nicht nur um eine Einzelperson geht. Es geht immer um mindestens zwei, denn nur so kann ja eine Transaktion zustande kommen. Der Herr Harris nahm zur Grundlage, dass es mehrere Möglichkeiten gibt, mit seinem Gegenüber umzugehen, abhängig davon, wie man ihn empfindet.

Ich bin ok, du bist ok -oder- Ich bin ok, du bist nicht ok. (Es gibt natürlich auch Ich bin nicht ok, du bist ok, etc, aber da will ich jetzt nicht drauf eingehen).

Ich bin ok, du bist ok. Wir sind beide ok, wir versuchen miteinander umzugehen. Wir versuchen und zu verstehen und zu respektieren. Wir versuchen uns zu helfen und uns auch zu lieben. Wir versuchen es miteinander, weil wir und gegenseitig (im besten Falle) gut finden.

Ich bin ok, du bis NICHT ok. Ich hab Ahnung, du nicht. Ich weiß, wo es langgeht, du nicht. Ich mache nichts für dich, ohne dass du etwas für mich tust. Du bist eine Zumutung für mich. Wenn ich etwas für dich tue, dann musst du mir dankbar sein.

 

Die erste Einstellung ist Respekt. Die zweite ist Arroganz.

Als Mensch und Autorin versuche ich, respektvoll zu sein. Das ist schwierig, denn viele Menschen sind das nicht. Das Internet macht es noch leichter, es nicht zu sein. Unsere Vorbilder in Politik und Sport machen es uns leicht, die arrogante Haltung anzunehmen, denn sie tun es ja auch. Millionen hinterziehen, sich zuviel Geld bezahlen zu lassen, mit dem Geld anderer Menschen zu spekulieren ... zu lügen und zu betrügen, das alles ist: Ich bin ok und es ist mir scheißegal ob ihr Blödis ok seid oder nicht.

Manche Leute meinen ja, es wäre ok zu sagen: Wir sind ok (Gruppe/Ethnie/Familie/Fussballverein) aber alle anderen nicht. 

Manche Autoren meinen: Ich bin so ok, dass ich sogar abschreiben kann, meine Leser (die nicht ok sind, weil ich die für dumm verkaufe) kaufen alles von mir.

 

Ich versuche ok zu sein. Und ich versuche, andere Menschen als ok zu nehmen. Natürlich habe auch ich Grenzen, und die muss ich setzen. Aber meine Grundhaltung werde ich nicht aufgeben, nur weil die Welt voll von laut schreienden Arschlöchern ist.

Ich werde weiterhin jeden Menschen mit dem Respekt behandeln, den er verdient. Und ich werde jedem einen Kredit geben, wenn ich ihn kennenlerne. Ist dieser Kredit aufgebraucht, und ich sehe keine weiteren "Einnahmen" in dem Geben und Nehmen, dann ist es allerdings vorbei mit der Transaktion.

 

Im Internet ist das leicht. Ich entfreunde solche Leute. Sind ja auch oft keine Freunde. Im echten Leben ist das schwerer. Nicht alles ist so leicht zu durchschauen, man erkennt nicht sofort wenn man manipuliert und ausgenutzt wird. Ich hinterfrage mich ständig und wundere mich immer, wenn andere Menschen mit einem festgelegten Handlungskatalog durch die Welt spazieren. Sie sind frei von Skrupeln, das kann auch positiv sein. Für sie. Ich beneide sie manchmal. 

Ich selbst bin unsicher, da ich immer glaube, irgendetwas verpasst zu haben. Ich glaube immer, alle denken erstmal so wie ich. Vertrauensselig. Naiv. Macht aber nichts. Ich leb damit schon ne ganze Weile.

 

Warum ich das erzähle? Weil man aus eigener Kraft ne ganze Weile laufen kann auf dieser Welt. Man kann rennen und springen und immer vorwärts gehen. Aber es gibt Momente, da strauchelt man. Da ist mal leer und verliert den Mut. Und dann kommt der Moment, wo man Hilfe bekommt, von Menschen, die Freunde sind. Die mich ok finden, so wie ich sie ok finde. Und die mir aufhelfen und mich weiterschieben. Sanft und liebevoll, bis ich wieder allein gehen kann. Und solche Leute behält man nur, wenn man sie gut behandelt. Und da wir Menschen und ich ganz besonders, andere Menschen brauchen, sind Freunde etwas ganz ganz essentielles zum Leben. Ich bin dankbar, dass ich welche habe und hoffe, dass ihr auch welche habt.