Gastartikel: Theo Reinemacher

Der Autor Theo Reinemacher, den ich nur flüchtig kenne, hat mich gebeten, diesen Artikel auf meinem Blog zu bringen. Es war ihm wichtig, warum, kann ich absolut nicht ergründen. Ich distanziere mich ausdrücklich nicht von dem Inhalt, denn das wäre peinlich und bigott. Schließlich will doch jeder Preise, oder?

 

 

Hier bin ich, wo steht das Klavier?

Theo Reinemacher

 

Hurra, ich habe es geschafft. Ich bin auf der Longlist! Jawohl, auf der Longlist des ultimativen Lyrikpreises Glucksi, der alle zwei Jahre in Bad Holtensen verliehen wird. Das Preisgeld ist nicht erwähnenswert, aber man wird in mindestens zwei Blogs erwähnt, die sich ausschließlich mit Lyrik beschäftigen.

Wie ich das geschafft habe? Na, durch meine überragende Leistung im Bereich des dramatischen fünfhebigen Jambus. Nein, ich werde das Gedicht hier nicht vorstellen, denn es soll ja dem geneigten Publikum präsentiert werden.

Nicht, dass ich Sie für ungebildete Barbaren halte, liebe Leser, da sei Gott vor, aber verstehen Sie, der Rahmen muss einfach stimmen. Und das ist hier nicht gegeben.

Na ja, vielleicht, also, ganz eventuell, ist es nicht allein meiner lyrischen Leistung zu verdanken, dass ich auf jener Longlist gelandet bin. Ich kenne natürlich alle anderen wichtigen Lyriker, man trifft sich, redet über wichtige Dinge, die misanthropischen unter uns über die schreckliche Welt, die Optimisten denken laut über Veränderungen nach, wir alle verarbeiten unsere Gedanken in Lyrik.

Die Jury des Preises besteht aus Basti, Eva, Sören und Wolke, oh, sorry, Wolke ist jetzt Varg. Seit ihrer/seiner Transition.

Blogger empfehlen erstmal die ihrer Meinung nach besten Lyrikwerke aus dem letzten Jahr, und die Jury liest die dann quer. Die Bücher, die mehr als ein gutes Gedicht enthalten, kommen auf die Longlist. So wie meins.

Ach ja, alle SP und alle DKZV Bücher sind natürlich raus. Die will ja niemand lesen, und SPler sind … na ja. Nichts gegen SPler, aber man weiß ja, die Qualität und so. Sie wissen schon. Und ich rechne mir super Chancen aus. Denn wissen Sie, ich bin ja nicht nur fast in der Jury gewesen, sondern bin, seitdem ich mein Buch bei einem kleinen Verlag herausgebracht habe, auch politisch aktiv. Also richtig. Ich setze mich für den Umweltschutz ein, sammle in meiner Gegend Müll ein, bringe alten Menschen Kultur nahe, indem ich meine Gedichte vorlese, in Altenresidenzen und so weiter.

Zu Anfang dachte ich, es wäre vielleicht wichtig, sich für die Gleichbehandlung der Frauen einzusetzen, aber komischerweise fanden das weder Eva noch Wolke besonders toll. »Theo, das glaubt dir keine Sau!« Das waren Evas Worte. »Ein Macho wie du, der sich von seinem Frauchen bekochen lässt, tritt für Feminismus und equal payment ein? Echt jetzt?«

Ich will ja nur mal sagen, Helga liebt kochen. Und seitdem ich als Autor selbstständig bin, geht sie total gern arbeiten. Natürlich bin ich da für gleiche Bezahlung von Mann und Frau. Sie malocht ja auch wie ein Kerl. Vierzig Stunden Woche, körperliche Arbeit und so.

Also hab ich mir was anderes überlegt. Müll einsammeln ist aber echt anstrengend. Ich hab dann meistens meinen Hund dabei, unseren kleinen Shi Tzu. Ping heißt sie. Und sie hat ganz kurze Beine, kann also nicht weit laufen. Aber den Müll im Umkreis von vierzig Metern um unser Haus einzusammeln ist ja auch schon mal was. Besser als nichts. Die ekeligen Sachen lass ich natürlich liegen, mag mir ja keine Krankheiten einfangen. Aber wenn die freiwillige Feuerwehr hier aus der Gegend einmal im Jahr Müll sammelt, bin ich immer dabei. Mit Handschuhen, Stiefeln, ganz zünftig, und lasse mich dann vor den dreißig Müllsäcken Werbewirksam fotografieren. Klar, das kommt immer gut.

„Selbst der bekannte Autor Theo Reinemacher hilft bei der Müllsammelaktion!“, steht dann im Holtenser Tageblatt. Dann gehen auch direkt die Buchverkäufe nach oben.

Bevor die Jury zusammentritt, um über alles zu beraten, bringe ich mich natürlich diskret in Erinnerung, lade sie zum Essen ein, das ist dann natürlich ein Messevorbereitungsessen, schließlich gehören wir ja alle zur Crowd, und „spread the love“ und die „good vibes“ sind ja so wichtig! Gerade zu einer anstrengenden Buchmesse.

Die große Buchmesse in Bad Holtensen kennen Sie, oder? Klar, wer nicht? Tausende von Besuchern an zwei Tagen, sechzig Aussteller. Gut, am Ambiente könnte man vielleicht was machen, aber es ist halt ein Wochenmarkt mit Flohmarkt.

 

Was mache ich noch? Ach ja, die alten Leutchen. Ich will mich nicht selbst loben, aber sie mögen mich. Auch die Pflegerinnen finden es ganz toll, wenn ich da war. »Die Herrschaften schlafen dann immer wie Babys, Herr Reinemacher«, sagen sie. »Wir brauchen gar keine Sedativa mehr!«

Was soll ich sagen, liebe Leser? Das ist die Zauberkraft von Lyrik. Fünfhebiger Jambus, sag ich nur. Manchmal, das gebe ich zu, schmuggle ich in die Vorlesestunde auch mal das ein oder andere Fremdgedicht hinein, das merkt keiner. Und wenn dann Herr Jannsen mit seinen senilen 72 Jahren meint, mir erzählen zu müssen, John Maynard sei von Fontane und nicht von mir, dann schiebe ich ihn eben ins Herrenklo. Da darf er schimpfen.

Morgen gehe ich mit der Jury dann noch ins Theater, sie geben „Warten auf Godot“. Ich glaube, dieser Hinweis ist so subtil, dass ihn nur Basti begreifen wird. Ich glaube, ihn muss ich mehr überzeugen als die anderen, denn Varg, Eva und Sören finden mich irgendwie süß. Na gut. Süß. Mit 70 ist man also süß. Ich würde ja sagen, alles andere als süß, aber hey, mir egal, Hauptsache, ich bekomme diesen supertollen Preis!