DPP und Eierbecher

Als Kind habe ich immer tolle Geburtstage gefeiert. Es gibt da ja klassische Spiele, die nie aus der Mode kommen. Eines heißt Wasserlaufen. Jede Gruppe bekommt einen Eierbecher und schöpft damit Wasser aus einem Eimer, um es in einen anderen Eimer zu schütten. Auf Zeit. Man rennt also, verschüttet ne Menge und irgendwann ist Ende und der Wasserstand wird gemessen. Wer mehr hat, gewinnt. Vollkommen fair.

So könnte ein Publikumspreis sein. Jeder schüttet seinen Eierbecher voll Wasser in den Eimer, den er am liebsten hat. Hinter dem Eimer steht der Autor/Verlag/Künstler und freut sich. Und am Ende bekommt der Autor/Verlag/Künstler den Preis, dessen Eimer am vollsten ist, weil er einfach die meisten Fans hatte, die ihre Wasserladung bei ihm reingeschüttet haben.

 

Jetzt ändern wir aber die Spielregeln. Nicht alle Autoren dürfen hinter ihrem Eimer stehen. Es gibt schon ein paar Eimer, aber wenn man sein Becherchen nicht dort hinein schütten will, muss man es beschriften und am Ziel abstellen. Man weiß nicht genau, was mit dem Becher danach passiert. Man sieht auch den Autor/Verlag/Künstler nicht. Man weiß nicht ob es überhaupt was bringt, oder ob der Becher Wasser verschwendet ist. 

 

Was nun jeder einzelne entscheidet, ist sicher immer noch frei. Es ist immer noch möglich, dass ein Unbekannter gewinnt. Aber ich brauche sicher nicht mit dem Finger darauf zu zeigen, dass die zweite Variante deutlich ungerechter ist. 

 

Sei es wie es sei, man müsse ja nicht mitmachen.

Ich lasse es mir durch den Kopf gehen: ich habe letztes und vorletztes Jahr nicht mitgemacht. Ich habe meine Fans nicht dazu aufgefordert, für mich zu stimmen. Warum nicht?

Ganz am Anfang meiner Schreiberlingstätigkeit war ich mal auf einer Shortlist. Es ging um den Indie-Autor des Jahres. Und obwohl ich mir keine Chancen ausrechnete, war es großartig, auf dieser Liste zu stehen. Ich hatte das Gefühl, es ganz weit gebracht zu haben. Eine Riesenmenge anderer Autoren hatte ich ausgestochen, jucheee! Und wer sind denn die, die noch mit drin sind? Oh, recherchier .. hmm, nee die sind doch alle doof. Ich hab den Preis verdient! Ich bin so toll, so tapfer, so gut, die sind ... schlechter als ich. Ich will diesen Preis. Ich will da vorne stehen. Was zieh ich denn an? Dieser andere Nominierte ist ja ein Arsch, boah, sein Buch ist voll doof. Wann ist die Verleihung? Wem danke ich denn dann? Wehe ich gewinne nicht. Dann bin ich voll der Loser. Dann bin ich nichts wert. Das hab ich dann verdient, weil ich mir keine Mühe gegeben habe. Mist, und was denken dann alle von mir? Ich sollte mit dem Schreiben aufhören. 

 

Das sind die inneren Affen. Die wollen täglich, sekündlich gefüttert werden. Mit Zucker. Die wollen Zucker mit einem Blasebalg in den Arsch geblasen bekommen und jeden Tag werden sie lauter. Sie wollen sich gut fühlen und das um jeden Preis.

Preise machen mich zu einem schlechten Menschen. (Ich rede hier von mir, bitte, liebe Leser, anderen mag es anders gehen.) Also habe ich versucht, Preise zu ignorieren.

Jetzt bin ich seit einiger Zeit aber Mitglied einer Verlagsgemeinschaft. Wir Autoren wollen zusammenhalten und wir wollen, dass unser Verleger, der sich für uns täglich den Arsch aufreisst, weiterhin für uns da sein kann. Wir wollen, dass er verdient, damit wir verdienen. Und man verkauft mehr Bücher, wenn da ein Preis für verliehen wurde. Prestige.

 

Also ist da der DPP. Ich hab die Verleihungen zwei Jahre lang gesehen. Ich war entsetzt. Ich will nichts über die Bühnenshow an sich sagen, sondern über die Platzierung des Preises. Dieser ach so wichtige Preis wird am absoluten Ende einer Veranstaltung verliehen. Nachdem alle den ganzen Tag dort waren, wird das runtergerissen und die Händler packen im Hintergrund ein. Das Publikum ist weg, es sind nur noch die Prämierten und ihre Fans da. Und die warten die endlosen Laudatien ab, es wird applaudiert und das war`s. Da hilft auf der plötzliche Einsatz moderner Präsentationstechnik nichts, das Ganze war ein Trauerspiel. Onanie.

Jetzt wird eine eigene Veranstaltung drum herum gebastelt und er wird dotiert. Warum das gemacht wird, da kann ich nur spekulieren. Aber ich bin mir sicher, dass das nicht aus reiner Philantropie gemacht wurde. Das hat andere Gründe. Diese Orga hat kein Geld zu verschenken. Meine Spekulation (und bitte, achtet darauf, es ist Spekulation!): Der Preis wurde von seinem Ursprungsverleihungsort weggebracht. Die neue Veranstaltung ist neu. Man hat Angst, dass keiner kommt, weil man weiß, wie dieser Preis bisher verliehen wurde. Also würzt man das ganze mit Geld, dann kommt wenigstens jemand.

 

Und apropos Geld: Wie diese Liste, die Eimer, die da schon stehen, zustandegekommen ist, das will man nicht sagen. Also man sagt es schon, aber nicht, wer das gemacht hat. Das habe man denen versprochen. Warum? Ist es anrüchig, Jury zu sein? Ist es verwerflich? Sind die schützenswert? Was ist das Problem? Die Versicherungen, es wäre Insider und Menschen, die wüssten, was sie tun, reicht mir nicht.

Wenn ich es also nicht weiß, dann muss ich Schummelei und Klüngel unterstellen. Wäre nicht das erste Mal, dass diese Branche sich als ein Haufen von Klünglern darstellt. Ich habe nichts gegen Gemeinschaften und Zusammenschlüsse, ich bin selbst in einigen. Aber wenn es nur drum geht, Geld in gewissen Kreisen zirkulieren zu lassen, dann werde ich sauer. 

Menschen haben immer Gründe, warum sie Dinge tun, und Geld ist allzuoft einer davon. 

 

Jetzt wurde mir gestern Verachtung unterstellt. Ich würde es nicht wertschätzen, was da jemand tut. Ich würde rumjammern, dass ich nicht nominiert wäre und ich hätte nicht das recht, das alles zu kritisieren.

Doch darf ich.

Nur weil ein Branchenriese nicht nominiert wurde, und auch nicht jammert, dürfte ich das trotzdem, denn ... was schert den Riesen dieser Preis? Er hat doch genug ... Preise und Geld. Und wenn er den Preis wollte, dann könnte er ja seine Fans aufrufen, ihn trotzdem zu nominieren! Ist doch ganz einfach (Ironie) und er hat doch genug Fans! Er würde erdrutschartig ... ach nee um im Bild zu bleiben, sintflutartig gewinnen!

Ich muss einen Unternehmer für seine Arbeit nicht wertschätzen. Und ich dürfte den Preis trotzdem annehmen, weil ... wenn ich ihn tatsächlich bekommen würde, dann hätten sich ne Menge Fans für mich krummgelegt, und deren Aufwand nicht zu würdigen, das wäre wirklich sehr sehr schäbig von mir. 

 

Und ich darf alles kritisieren, was ich will. Ich muss mich nicht von oben herab behandeln lassen, nur weil manche den Fokus verloren haben. Die Welt dreht sich andauernd. Und nicht immer nur um die Gleichen ... 

Und es gewinnen eben nicht immer die Besten. Und nur weil jemand gewinnt, ist er nicht gut.

 

Ich hasse Preise.