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Wie man morgens aufsteht

Ich bin Frühaufsteherin. Das kann einem den ganzen Tag versauen, wenn man so früh wach ist und all den Mist von Gestern liest. Aber Spätaufsteher sind konfrontiert von dem Mist, den die Leute schon gemacht haben, während er noch pofte ... neee.

Manche haben generell Probleme überhaupt aufzustehen.

Ich hatte letztens einen Diskurs mit einer mir unbekannten Person per mail. Sie schrieb mich an und lobte erst meinen Blog und all meinen Kram, um dann über ihre Tätigkeit zu erzählen. Sie ist ebenfalls Autorin, aber unzufrieden.

Jetzt bin ich einerseits keine gute Ratgeberin, denn ich bin hart ungeduldig. Ich hab kein Verständnis für Ausreden. Ich hab da keine Zeit für.

Andererseits habe ich recht früh in meinem Leben etwas verstanden: Es gibt erstens nur ein Leben und zweitens bist du prinzipiell allein.

Das ist nichts, was mich schreiend davonrennen lässt. Ich bin immer wieder überrascht, wie wenige Menschen das lernen oder umgekehrt, wie viele das so beängstigend finden, dass sie sich lieber selbst aufgeben in einer miesen Beziehung/Arbeit/Freundeskreis/Angewohnheit, als sich zu verändern.

Es gibt diesen Spruch von dem Vogel, der auf dem Ast sitzt und sagt: Was, wenn ich falle? Und die Stimme sagt: Was, wenn du fliegst?

Wenn er es nicht ausprobiert, wird er es nie erfahren und auf seinem Ast verhungern. Und klar ist auch: So lange er nicht los fliegt, weiß er nicht, was außerhalb des Busches so los ist! Er hat nur Stimmen gehört, Geräusche und Licht. 

Sicher denkt er alles mögliche - so sind wir. Da sind schlimme Dinge. Hunger, Kälte, Gefahren. Tod. Alles besser als los fliegen? Und dennoch fliegen sie alle los.

So wie wir eben: Unsere Sorgen und Ängste sollten uns nicht daran hindern, etwas zu tun. Klar müssen sie validiert werden: Es ist in Ordnung, sich Sorgen zu machen. Aber das eigentlich Wichtigste ist das losfliegen. 

Was also tun? ok, man kann noch ein bisschen mit den Flügeln rütteln, um die Muskeln zu stärken. Man kann noch ne Weile horchen, ob da draußen was Schlimmes sein könnte, aber dann: Ab die Post!

Diese Autorin war so unzufrieden mit sich, dass ich meinen Vorsatz, nichts dazu zu sagen, über Bord warf und ihr Ratschläge gab. Das wurde direkt abgestraft. Sie wäre zwar unglücklich, aber da könne man nichts machen und ich hätte sie offenbar falsch verstanden und darum wolle sie mich nicht nerven.

Ich meinte dann, dass das von ihr wie eine selbst erfüllende Prophezeiung klingt (niemand kann mir helfen, schaut, ich hab es versucht, und die kann es auch nicht, also muss ich ja schlimm sein, lieber schnell weg). Das fand sie auch blöd und wir haben uns regelrecht gezofft. Sie hat allerdings auf jede meiner mails wieder geantwortet.

Mein Fazit: Da ist ein Piepmatz, der auf seinem Ast sitzt und nie los fliegt. Die Gedanken kreisen und alle Ideen, wie man das ändern könnte, werden als unausführbar betrachtet.

 

Wie man also aufsteht und losfliegt?

Man tut es. Ich habe Strategien, wie ich eben nicht über schlimme Dinge nachdenke. Hilfreich ist es, über Projekte nachzudenken. Listen zu machen und aktiv zu ignorieren - nein Quatsch, aber dann ist es aus dem Kopf. Etwas, was man heute nicht erledigen kann, muss keinen Raum im Heute einnehmen.

 

Zu sagen: Das klingt ZU einfach, das schaff ich nicht, ist halt ... naja, dann verhungerst du auf dem Ast.

Und weil ich mir sehr schmerzhaft bewusst bin, dass ich nur ein Leben habe und weil ich weiß, dass nur ich losfliegen kann, ich ganz allein, niemand kann das für mich tun, darum flieg ich.

 

Ich steh morgens auf und mach Dinge. Ich mach viele Dinge. Ich denke nicht über Sinn und Unsinn nach. Die besten Dinge mache ich sogar, wenn ich krank bin. Der innere Zensor hat meistens Redeverbot. Ab und zu darf er mal raus, dann frag ich ihn ob er einen Keks oder Schoki will und meistens will er das.

 

Ich sag das nicht leichtfertig. Das ist zum Heulen hart. Zu verstehen, dass niemand kommt, dass niemand für dich schreibt, dass niemand deine Nöte und Bedürfnisse wirklich versteht, tut sehr sehr weh. Wir Menschen sind so gepolt, dass wir denken, da wäre jemand oder etwas. Wir suchen nach einem Sinn. Dabei müssen wir die Sinnhaftigkeit in uns selbst finden.

 

Es gibt diesen Zen-Koan (eine Art Lehrgeschichte im Zen), wo der Schüler den Lehrer fragt, ob er ihn lehren könnte ... es geht im Zen immer um Erleuchtung, Erkenntnis, um diesen Moment des Einsseins mit dem Universum und so. Der Lehrer nimmt den Schüler und taucht seinen Kopf ins Wasser. Der Schüler kämpft um sein Leben und als er prustend wieder auftauchen darf, sagt der Lehrer: Du kommst wieder, wenn du die Erkenntnis so sehr wünschst, wie das Atmen gerade.

So ist das bei mir. Die Pole: Dir rennt die Zeit davon, dein alter mieser Körper ist nur ein faulendes Gefäß für all deine Ideen und was du noch machen willst - und: Was soll der Scheiß, das interessiert niemanden und keiner braucht dich - sind beide stark. Und an dem Reibungspunkt passiert meine Magie. Da entsteht das Tun. Und zwar nicht aus Angst, sondern aus der Reibungsenergie. 

 

Und dann flieg ich halt los. Ich weiß nicht genau, wohin, aber da ist Licht, da sind Dinge, da ist Leben.

Ob mein Kram dann gut ist, ob das andere brauchen und on manches sinnlos war - ist ein ganz anderes Thema.

 

Das ist kein Pep-Talk oder Ratgeber. Jeder muss seinen eigenen Weg finden. Aber ich frage euch: Warum hat diese Frau mich angeschrieben? Denn wenn ich sagte, dass sie offenbar Hilfe braucht und bitte das und das tun könnte - dann wollte sie nicht. Da habe ich wenig Verständnis, denn wer auf dem Ast sitzt, der verhungert irgendwann.

 

Ohne je die Welt gesehen zu haben. Das Buch geschrieben zu haben. Das Lied gesungen zu haben, den Mund geküsst zu haben.

 

Sehr traurig.

 

Also, hopp, flieg!

 

Alles Liebe!

 

(Ja, man darf mich natürlich anschreiben, ich bin meistens sehr nett. Ich hab nur wenig Geduld mit Ausreden.)

 

Die Bilder sind Aufkleber, die mein Kind Eva gemacht hat und die man in meinem Shop kaufen kann.

 

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