Wenn man sich immer falsch vorkommt

Manchmal dauert es 52 Jahre, bis man ankommt. Isso. Und selbst dann ist es vermutlich nur ein kurzer Halt. Aber das muss nicht so lange dauern. Es kann leichter gemacht werden.

Ich glaube allerdings, dass Erziehung und Umwelt nur ein Teil sind. Es muss auch in einem drin sein.

Wovon ich rede? Nun, diese Sache mit der inneren Zufriedenheit. Mit dem Wissen, dass man ein paar richtige Entscheidungen getroffen hat und so. 

Das Problem mit solchen Entscheidungen ist ja immer: man trifft sie und weiß manchmal erst hinterher, ob sie richtig waren.

Bei mir ist das so: ich find mich selbst erst mal grundsätzlich gut. Das ist ein Glücksfall, den offenbar nicht viele Leute haben. Das ist furchtbar. Es macht es mir manchmal schwer, Menschen zu verstehen, die sich erstmal scheiße finden, aber ich bin ja empathisch. Meistens.

Wenn mich also jemand scheiße findet, dann hinterfrage ich mich aber auch. Alles andere wäre mega arrogant. Aber meine Welt bricht nicht sofort zusammen oder so.

Dennoch habe ich, verschiedensten Umständen geschuldet, es erst jetzt geschafft, angekommen zu sein. Da, wo ich mich wohlfühle. Da, wo ich Kraft finde und Kraft ausüben kann. Wo ich wichtig und wertig bin.

Warum ich das weiß? Weil ich es nicht nur in mir selbst fühle, sondern auch von außen bestätigt bekomme. Das ist nicht leicht, mit sowas umzugehen. Für mich. Ich bin ... ich bin selten bestätigt worden.

Ich bin unerzogen. Die Gründe dafür wären zu lang, um sie hier aufzuzählen, aber es ist so. Ich habe nie gelernt, die Klappe zu halten. Ich denke und ich fühle und dann handle ich.

Viele andere denken vor dem Handeln nach, also sie denken über den Punkt hinaus, wo die Handlung beginnt. Ich beginne zu handeln und denke dann erst wieder nach, wenn es notwendig wird.

Ein Beispiel: Ich hätte meine Erstlinge für 1000 Euro verkaufen können. An einen Verlag. Oh oh oh wie geil, dachte ich erst. Dann wurde mir klar: die wollen mich kaufen. Das bedeutet, ich tanz nach deren Pfeife. Und das von Leuten, die aus Uhren Chronometer machen. Lappalie? Nein. Für mich nicht. Ich hab Nein gesagt. Es wurde unschön. Der Verlag wurde dann verkauft und ist heute pleite.

Ich hab damals nachgedacht, und gehandelt, ich habe eine Reissleine gezogen, obwohl viele gemeint haben: mach das mach das! Ich haderte und dachte, ich wäre dumm und blöd, aber mein Bauch sagte: lass das.

Ich hatte kein Lektorat. Lektorgate folgte, weil ich das laut sagte. Ich dachte: es kann gut sein, das zu sagen, so, wie es gut ist, sich zu outen und anderen Kraft zu geben. War es auch. Ich hab viele viele Menschen damit angesprochen, die ebenfalls keine 2000 Euro in ein Erstlingswerk stecken wollen, ohne zu wissen, ob sich das überhaupt verkauft.

Hätte ich über meine Aussage nachgedacht, hätte ich es vielleicht nicht gemacht. Aber es drängte mich innerlich dazu und es war gut so.

Ich hab damals einfach angefangen, Bücher zu drucken. Erst 10, dann 20, dann ... und nach und nach wurde ein Imperium daraus. Alles so, wie es eben lief. Manch anderer druckt sich ne Auflage (1000 Stück) und spuckt auf die Kleinen. Ja, ich hab meine Häme abbekommen. Aber manchmal frag ich mich, wieviele Bücher in irgendwelchen Kellern herumschimmeln, weil .. so ne Auflage will auch verkauft werden.

Aber ich hab es einfach klein begonnen und groß gemacht! Und heute ... heute könnte ich einen Katalog nur mit meinen Sachen füllen.

Ich sag meine Meinung: dass ich nicht in einen Verein will. Dass ich denke, dass man Diversität in Büchern nicht erzwingen kann - und es auch nicht wollte. Dass ich nie Schreibseminare oder Ratgeber machen will. Weder als Lehrer noch als Teilnehmer. Dass ich Geld damit verdienen möchte (pöh, wie pöbelig, man hat das für die Kunst zu tun).

Immer wieder habe ich mich nach dem Kontakt mit anderen Autoren (oft wenn sie im Rudel auftraten) zurückgezogen. Oft trotzig, später müde. Müde, weil ... weil sie alles so schwer machen. Zerrissen: man will dazugehören, aber es geht einfach nicht. Verloren, weil allein.

Aber letztlich fand ich mich immer wieder, da ich innerlich stark bin.

Ich will aufhören, mich zu vergleichen. Ich will aufhören, nach den Veröffentlichungsraten der anderen zu schauen. Zu denken: ich werde nie einen All Star bei amazon haben. Ich werde nie einen Bestseller haben, auf einer Liste stehen und einen Preis gewinnen. 

Warum? Weil ich alles falsch mache. Ich bekomme keinen All Star, weil ich keine Buchbloggeraktionen und Buchlaunches mache.  Bestseller? Nun, ich bin in einem großen Kleinverlag. Ein Bestseller wird mit Geld gemacht (bitte keinerlei Illusionen, das hat wenig mit Können zu tun). Wir sind froh, wenn wir Geld haben, um die nächsten Bücher drucken zu können. Werbung auf Litfassäulen oder so? Vergiss es. Ich müsste aber einen Agenten haben und bei Großverlagen anklopfen. Wozu? ich hab einen Freund, und das reicht mir.

Zu Preisen sag ich nichts mehr, ich will einfach nicht.

Und dennoch bin ich genau richtig. Das ist es, was ich zu geben habe. Das ist mein Flussbett, ich bin der Fluss.

Darum kann ich nicht mitreden, wenn es um Mainstream und the next big thing geht. Ich mach mein thing ... und dass ich das ganz gut mache, sagt mir gerade Patreon. Das ist prima. Und die Rückmeldungen von manchen ebenfalls unangepassten Geistern tut auch gut. Und die vielen Anrufe von Menschen, die mich um sich haben wollen. 

Wenn man sich also immer falsch vorkommt, dann vielleicht, weil man kein reißender Fluss, sondern eher ein gemütlicher Bach ist. Es reicht eben nicht zum Fluss, aber wenn man sich in dessen Bett versucht, wird man dünn und flach. Lieber munter gurgelnd, über Steine hüpfend, im passenden Bett, umwuchert von saftigem Grün.

Und wenn sich dann Leute zu einem setzen, sich freuen und sagen, dass man gut so ist, wie man ist, dann ist die Welt schön.

Ja. Ich bin ein Bach. 

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